Bewusstsein

  • Wir können uns nur der Gedankeninhalte bewusst werden, die auch prinzipiell erinnert werden können. Wir können uns insbesondere nicht der ständig ablaufenden Prozesse im Gehirn bewusst werden, beispielswiese der Prozesse, mit denen die direkten Sinnesreizungen so verarbeitet werden, dass sie schließlich zu unserer Wahrnehmnung der Realität führen. Nur die Ergebnisse dieser Prozesse können und bewusst werden, nicht die Prozesse sebst.

  • Bewusstsein ist lediglich der Gedankeninhalt, der in Richtung des permanenten Gedächtnisses weitergeleitet wird, aus dem der Inhalt später  wieder frei abgerufen werden kann.

  • Der aktive Eindruck des Bewusstseins entsteht nur, weil das aktive Unbewusste keine erinnerbaren Spuren hinterlässt sowie durch die intensiven Wechselwirkungen zwischen aktiven unbewussten Prozessen und bewusst erinnerten Inhalten.

  • Gefühle sind Rückkopplungen unseres Körpers oder des Unbewussten an unser erinnertes Bewusstsein. Dieses Feedback muss bewusst werden, da sonst keine dauerhafte Auswirkung oder vorsätzlich gezielte Handlung durch die Gefühle ausgelöst werden können. Damit wird auch das "schwierige Problem des Bewusstseins" von David Chalmers gelöst.

Um das Bewusstsein besser zu verstehen, können zwei Fragen gestellt werden:

  • Können wir uns über etwas bewusst sein, an die wir uns im Prinzip nicht erinnern können?
  • Können wir uns an etwas erinnern, das vorher nicht bewusst war?

In dieser Diskussion soll das Gedächtnis als unser Random Access Memory (RAM) verstanden werden, in dem wir gezielt erinnerte Inhalte wieder abrufen können. Ein Beispiel für Inhalte, die in diesem RAM gespeichert sind, ist typischerweise das, was man gestern mittags gegessen hat oder wann man sich morgen mit Freunden trifft. Diese Erinnerung ist auch dauerhaft, denn wir erinnern uns auch morgen noch an viele Dinge, an die wir uns heute erinnern. Dieser Speicher soll hier also pRAM (permanent RAM) genannt werden. Die Dauerhaftigkeit ist natürlich nicht perfekt, da wir dazu neigen, Dinge zu vergessen, vielleicht sogar sehr schnell.

Die erste der obigen Fragen ist mit nein zu beantworten. Alle Inhalte unseres Gehirns, die unser Unbewusstes ausmachen, werden als unbewusst bezeichnet, gerade weil wir in unserem pRAM keinen Zugang zu ihnen haben. Gehirninhalte, an die wir uns nicht erinnern können, sind also unbewusst. Nur der Gehirninhalt, an den man sich im Prinzip erinnern kann, kann bewusst werden.

Die Antwort auf die zweite Frage ist ebenfalls nein. Zumindest kann ich mich nicht an den Inhalt meiner Gedanken erinnern, die vorher nicht bewusst waren. Wenn ich zum Beispiel versuche, mich an die Farbe eines Hauses zu erinnern, an dem ich gestern bei der Fahrt zur Arbeit vorbeikam, werde ich diese Erinnerung nur dann abrufen können, wenn ich meine bewusste Aufmerksamkeit auf dieses Haus gerichtet hatte und mir seine Farbe so bewusst wurde. Andernfalls kann ich vielleicht aus früheren Erfahrungen eine vage Vorstellung von seiner Farbe rekonstruieren, aber dies wäre kein direkt in Erinnerung gebliebener Eindruck. Auf der anderen Seite können Gefühle, die ich in einer bestimmten Situation hatte, jedes Mal wieder auftauchen, wenn ich mich an diese Situation erinnere. Aber diese Gefühle werden nicht gezielt zugreifbar sein und damit Inhalt meines pRAM, es sei denn, ich bin mir ihrer bewusst geworden.

Dies zeigt, dass die folgende Gleichung geschrieben werden kann:

Das Größer-gleich-Zeichen bedeutet, dass der Ausdruck links davon jeweils mehr umfasst als der weiter rechts stehende. Dies zeigt, wie eng das Bewusstsein mit dem pRAM verbunden ist. Was bewusst wird, liegt also nur zwischen dem, was prinzipiell gespeichert werden kann, und dem, was schließlich dauerhaft in pRAM landet. So scheint das Bewusstsein genau das zu sein, was an das pRAM gesendet wird. Wenn man dieser Arbeitshypothese folgt, kann man eine Vielzahl von Aussagen über das Bewusstsein überprüfen. Bei Bewusstsein zu sein bedeutet demnach nur, dass in diesem Zustand Gedankeninhalte an das pRAM gesendet werden, die also später abgerufen werden können. Sich einiger Sinneswahrnehmungen bewusst zu werden, bedeutet nur, dass diese Wahrnehmungen später aus dem pRAM abgerufen werden können. Die Fähigkeit, bewusst zu atmen, bedeutet nur, dass ich mich daran erinnern kann, dass ich meine Atmung kontrolliert habe. Bewusst über etwas nachzudenken drückt aus, dass wir uns an die Reihenfolge der Gedanken erinnern können, die wir hatten, und an das Endergebnis, das sich daraus ergab. All diese Aussagen scheinen eine angemessene Beschreibung der Situation zu sein. Daher erweist es sich als ein in allen diesen Aspekten angemessenes Bild, das Bewusstsein als das zu verstehen, was an das pRAM weitergeleitet wird. Diese Sichtweise des Bewusstseins erlaubt es auch sehr natürlich, experimentelle Befunde zu verstehen, die darauf hindeuten, dass das Bewusstwerden etwa eine Drittel-Sekunde nach dem auslösenden Ereignis in unserem Gehirn folgt. Dies zeigte sich zum Beispiel in verschiedenen Experimenten von Libet in den 1970er Jahren, bei denen Menschen einen Knopf drücken mussten, während ihre Gehirnaktivität mit einem EEG (Elektroenzephalografie) aufgezeichnet wurde. Er stellte regelmäßig fest, dass er den deutlichen Hinweis auf eine Entscheidung, den Knopf zu drücken, eine Drittel-Sekunde sah, bevor die Person berichtete, dass sie sich bewusst dafür entschieden hatte. Es ist klar, dass die Entscheidung erst im pRAM ankommen kann, nachdem sie unbewusst getroffen wurde.

Der aktive Eindruck, den wir vom Bewusstsein haben und der uns so sehr am Herzen liegt, scheint also eine Illusion zu sein. Der aktive Teil unseres Gehirns sind die unbewussten Prozesse, die selbst keine erinnerbaren Spuren hinterlassen. Diese Prozesse wandeln beispielsweise unsere primären sensorischen Nervenimpulse in Empfindungen und Bedeutungen um, die das Ergebnis dieser Prozesse sind, an die man sich erinnern kann. Die Prozesse selbst können nicht erinnert werden. Der aktive Eindruck resultiert zum einen aus der aktiven Interaktion zwischen unserem pRAM und unserem Unbewussten, das ständig auf das pRAM zugreift. Andererseits ist es das Ergebnis einer Eigenschaft unseres Gehirns, die sich anhand der sogenannten Gummihand-Illusion verstehen lässt. In diesem Experiment, von dem es verschiedene Videos auf YouTube gibt, sitzt eine Person an einem Tisch mit beiden Händen auf diesem Tisch. Die Sicht auf eine der Hände wird mit einem Sichtschutz versperrt und eine Gummihand sichtbar neben den Sichtschutz gelegt, nahe der Stelle, an der sich die eigentliche Hand befindet. Eine Art von Ärmel wird dann zwischen Schulter und Gummihand drapiert, um die Illusion eines Verbindungsarms zu erzeugen. Der Experimentator streicht dann die sichtbare Gummi-Hand und die nicht sichtbare echte Hand mit einem Pinsel in gleicher Weise. Nach kurzer Zeit beginnt die Versuchsperson dann, die Gummihand als eigene Hand wahrzunehmen. Dieser Effekt wird durch den visuellen Eindruck verursacht, der das Körpergefühl dominiert. Wenn unser Gehirn also den Sinn der sensorischen Information nicht vollständig konsistent erfassen kann, nimmt es die zweitbeste Option als real an. Dasselbe passiert, wenn wir nach dem aktiven Teil unseres Gehirns fragen. Unser aktives Unbewusstes, dessen laufende Prozesse selbst keine erinnerbaren Spuren hinterlassen, schaut sich in unserem Schädel um und kann außer dem pRAM nichts sehen. Das Unbewusste kann sich selbst nicht erkennen. Das Einzige, was sich wahrnehmen läßt, sind die Erinnerungen, denn nur diese hinterlassen Spuren über die kurze Zeitspanne des Jetzt hinaus. Dieses pRAM wird dann als aktiver Teil unseres Gehirns angesehen, obwohl es nur das Ablagesystem ist.

Andere Modelle des Bewusstseins, die vorgeschlagen wurden, schließen in diesem Bild einige Aspekte des Unbewussten mit ein, zum Beispiel teilweise die Prozesse, die dazu führen, dass ein Gedanke bewusst wird. Es ist davon auszugehen, dass eine klare Unterscheidung, wie sie hier vorgeschlagen wird, auch eine klarere Analyse ermöglichen wird. Die Folgen dieser Unterscheidung werden in den folgenden Punkten deutlicher werden.

Hier kann auch der Zusammenhang zwischen Gefühlen und Bewusstsein diskutiert werden. Gefühle entstehen zum Beispiel durch unsere Körperempfindungen oder können durch Situationen ausgelöst werden, in denen wir uns befinden, wie beispielsweise Freude oder Angst. Eine philosophische Frage ist dann, wieso sich Gefühle genau so anfühlen, wie sie es tun. Diese Frage wurde von David Chalmers als das "harte Problem des Bewusstseins" bezeichnet. Um die Frage etwas klarer zu stellen, fragte Chalmers, was der Unterschied zwischen uns und sogenannten Zombies sei, die sich identisch zu uns verhielten, aber diese direkten Gefühle nicht hätten. Ich kannte einmal einen partiellen "Zombie", ein Klassenkamerad in der Schule. Er konnte seinen Magen nicht spüren und war nie hungrig oder satt, sondern musste mit Hilfe von Uhr, Waage und einer Kalorientabelle die jeweils nötige Essensmenge ermitteln. Dies zeigt, dass unsere Gefühle die direkte Kommunikation von unserem Körper mit unserem Bewusstsein sind. Hungergefühl löst sofortiges Handeln aus, aber man muss sich auch an die Gefühle erinnern, denn sonst wäre eine längerfristig zielgerichtete , d.h. intentionale Handlung nicht möglich, beispielsweise um Nahrungsmittel zu beschaffen. Gefühle müssen also bewusst sein, denn sonst würden sie zu keiner nachhaltigen Wirkung führen. Gleiches gilt für Gefühle, die durch Situationen hervorgerufen werden, in denen die Gefühle aus unserer unbewussten Bewertung der gesamten Situation resultieren. Diese Gefühle sind oft zuerst unbewusst. Als unbewusster Input können sie unsere unmittelbaren Entscheidungen und Handlungen beeinflussen, aber sie können nur dann auch dauerhaft über das Bestehen der unmittelbaren Gefühle hinaus von Bedeutung sein, wenn sie bewusst geworden sind.

Während wir mit Uhr, Waage und Kalorien-Tabelle auch ohne Hungergefühl überleben können, ist es offensichtlich, dass unsere Vorgänger in der Evolution, die keine solchen Mittel hatten, schnell ausgestorben wären. Während es für uns eine Bedeutung hätte, wenn im Falle von Hunger das Wort "Hunger" vor unseren inneren Augen auftauchen würde, wäre dies für unsere Vorgänger bedeutungslos gewesen. So hätten sich in der Evolution Zombies ohne Gefühle nicht entwickeln können und wir wären entsprechend ebenfalls nicht evolutionär entstanden. Wenn also unsere Vorgänger Zombies mit den von David Chalmers vorgeschlagenen Eigenschaften gewesen wären, hätten wir uns nicht mit unseren Gefühlen entwickeln können. Entweder wären die Vorgänger ausgestorben oder wir hätten andere Möglichkeiten entwickelt, um das körperliche Feedback zu erhalten. Die Frage hingegen, warum wir ein bestimmtes Gefühl genau so empfinden wird, wie wir es empfinden, und nicht anders, ist die nach einer Ursache, bei der keine Ursache angegeben werden kann. Die zufälligen Schritte während der Evolution führten dazu, dass sich der Schmerz wie Schmerz anfühlt und nicht wie irgendein Jucken. Es hätte ein anderes Gefühl anstelle von Schmerz sein können, aber die zufälligen Schritte der Evolution haben eben ergeben, dass Schmerzen sich wie Schmerz anfühlen. Die Suche nach einer Ursache in diesem Zusammenhang ist also eine Frage in einer unzutreffenden Kategorie.