Energiewende
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Der Klimawandel wird uns voraussichtlich noch Jahrhunderte begleiten. Daher sollten wir alle Anstrengungen unternehmen, um den niedrigstmöglichen Temperaturanstieg zu erreichen. Eine nachträgliche Entfernung der heutigen zu hohen Kohlendioxidemissionen aus der Atmosphäre wird teuer werden, während wir anscheinend heute nicht einmal über ausreichende Mittel verfügen, um alle anderen aktuellen Probleme zu lösen, die z.B. in den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung festgelegt sind.
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Wenn die erneuerbaren Energietechnologien weltweit mit 30% pro Jahr wachsen und dann ein Wachstumsniveau beibehalten würden, um die fossile Technologie mit einer Rate von 3% pro Jahr zu ersetzen, würden wir bis 2050 den Nettowert der Kohlendioxidemissionen von Null und das Klimaschutzziel von 1,5°C erreichen. Mit einer Wachstumsrate von 20% pro Jahr und einer Substitutionsrate bis 2% pro Jahr werden wir erst bei rund 2,0°C den Klimawandel stoppen und die Energiewende wird bis 2075 dauern.
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Die Wachstumsrate der erneuerbaren Energien liegt heute bei 20% pro Jahr und ist in den letzten Jahren rückläufig. Die Substitutionsraten liegen derzeit nur deutlich unter 1% pro Jahr. Damit haben wir ohne eine signifikante sofortige Beschleunigung der Energiewende das 1,5°C-Klimaziel verschlafen.
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Auch eine Analyse, wie sich die zur Erreichung der Klimaziele nötigen Anstrengungen erhöhen werden, wenn wir bis zur Intensivierung einer nachhaltigen Energiewende noch ein Weilchen warten, zeigt, dass jedes zusätzliche verschlafene Jahr den erforderlichen Aufwand zum Erreichen des 1,5°C-Klimaziels erheblich erhöhen wird. Darüber hinaus zeigt diese Analyse, dass auch für die Energiewende ein geringeres Bevölkerungswachstum von Vorteil ist.
Um zu bewerten, wie wir die Energiewende schaffen können, kann die bisherige Entwicklung mit Hilfe von Szenarien in die Zukunft projiziert werden. Grundlage für die Szenarien sind Bilanzen, die grundlegende Zusammenhänge zwischen den wesentlichen Einflussgrößen beschreiben. Unter der Annahme eines Szenarios für die zukünftige Weltbevölkerung und der Entwicklung des Primärenergiebedarfs pro Person kann der globale Gesamtprimärenergiebedarf direkt berechnet werden. Dann kann die Entwicklung von Technologien für erneuerbare Energien prognostiziert werden, was in diesem Fall einer der Schlüsselfaktoren bei der Szenarioanalyse ist. Dabei werden drei verschiedene Varianten verwendet. Der Rest des Primärenergiebedarfs, der nicht mit erneuerbaren Energien gedeckt werden kann, muss noch mit fossilen Energieträgern bereitgestellt werden. Bei der Verbrennung dieser fossilen Ressourcen zur Energieversorgung wird eine bestimmte Menge Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben, was zum Klimawandel beiträgt. Es ist offensichtlich, wie direkt diese Beziehungen tatsächlich sind und dass sich diese Zusammenhänge nicht vermeiden lassen. Die einzelnen Einflüsse werden nun kurz beschrieben.
Der Pro-Kopf-Bedarf an Primärenergie ist in Abbildung 1 über der Zeit dargestellt. Der aktuelle Wert beträgt 22.000 kWh/(cap a) (kWh pro Kopf und Jahr). Die historischen Werte sind auch für OECD- und Nicht-OECD-Länder gezeigt, um zu verdeutlichen, wie diese sich voneinander unterscheiden. Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass sich die Nicht-OECD-Länder weiter entwickeln werden, was zu einem Anstieg des Pro-Kopf-Bedarfs führt. Andererseits ist in den entwickelten Ländern in den letzten Jahren ein gewisser Rückgang des Pro-Kopf-Bedarfs zu verzeichnen, was bedeutet, dass Energieeinsparungen zunehmend umgesetzt werden. Unter Berücksichtigung der ebenfalls angegebenen Bevölkerungszahl wird eine Projektion in die Zukunft vorgenommen. Diese blaue Kurve wird zu einem gewissen Anstieg führen, der im Jahr 2100 einen Wert erreicht, der als ausreichender Mindestwert für eine nachhaltige Entwicklung in einem entwickelten Land in der Literatur zu finden ist.
Abbildung 1: Pro-Kopf-Energiebedarf im globalen Mittel, für OECD- und Nicht-OECD-Länder sowie für die Szenarien genutzte Projektion
In Abbildung 2 wurden die Wachstumsraten einiger Beiträge zur Energieversorgung dargestellt. Wind- und Sonnenenergie werden gemeinsam gezeigt, da sie einzeln größere Schwankungen aufweisen als kombiniert. Es ist offensichtlich, dass nur Solar- und Windenergie ein ausreichendes Wachstum haben können, um zukünftig genügend Energie zu liefern. Die Wachstumsraten lagen um 2000 zwischen 35 % pro Jahr, die dann bis heute auf einen Wert von rund 20 % pro Jahr gesunken sind. Daher wurden Szenarien mit 20% Wachstumsrate pro Jahr als niedrigster und 30% pro Jahr als höchster Wert in den betrachteten Zukunfts-Szenarien ausgewertet. Offensichtlich sind aber die 20% pro Jahr bereits eine eher optimistische Annahme angesichts des Rückgangs der Wachstumsrate in den letzten Jahren.
Abbildung 2: Wachstumsraten einiger Energiearten und des Gesamtkonsums
Aus den Wachstumsraten können zusammen mit dem gesamten Primärenergiebedarf die Substitutionsraten berechnet werden, die anzeigen, welcher Anteil der Primärenergieversorgung in einem Jahr durch zusätzlich installierte Sonnen- und Windenergie ersetzt wird. Wie sich die Substitutionsrate mit den gewählten Wachstumsraten in die Zukunft entwickelt, ist in Abbildung 3 dargestellt. Da die Substitutionsrate nicht beliebig wachsen kann, weil das Wachstum ab einem bestimmten Wert die Kapazitäten der Volkswirtschaften übersteigen würde, wurden geeignete Grenzen bei Substitutionsraten von 2%/a und 3%/a eingeführt. Diese Werte lassen sich unter Berücksichtigung der sogenannten wirtschaftlichen Nutzungsdauer eines Kraftwerks ermitteln, die je nach Kraftwerkstyp von zwischen 25 und 40 Jahren liegt. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer kann interpretiert werden als die Zeit nach welcher durch Wartung und Reparatur der Wert des Kraftwerks ersetzt wurde. Um das Kraftwerk langfristig betreiben zu können, müssen also im Durchschnitt zwischen 2,5% und 4% des Kraftwerkswertes pro Jahr ausgetauscht werden. Ein solcher Aufwand kann damit also bereits heute von unseren Volkswirtschaften erbracht werden. Der gesamte Primärenergiebedarf stieg in den letzten 20 Jahren durchschnittlich um 2% pro Jahr. Die Weltwirtschaft ist somit auch in der Lage, entsprechende Investitionen zu realisieren. Strom deckt heute etwa ein Viertel der Endenergie in einem entwickelten Land ab. Diese 25% des Energiesystems können so durch eine Rate von 2,5% bis 4% pro Jahr ersetzt werden, das gesamte Energiesystem kann um 2% wachsen. Die maximale Substitutionsrate sollte sinnvoll darüber liegen. Hier werden 3%/a als vernünftige maximale Substitutionsrate angenommen, die sich ergeben würde, wenn alle Mittel für den Ausbau unseres globalen Energiesystems sowie für die Wartung bestehender Kraftwerke ausschließlich für die Implementierung erneuerbarer Energietechnologien verwendet würden.
Abbildung 3: Für die Energie-Szenarien verwendeten Substitutionsraten
Mit diesen Projektionen lässt sich wie beschrieben sowohl der noch benötigte Bedarf an fossilen Primärenergieträgern ermitteln als auch der sich aus deren Verbrennung ergebende CO2-Ausstoß und daraus der zu erwartende Klimawandel. Dies ist in Abbildungen 4 und 5 für das Szenario mit hohem Bevölkerungswachstum gezeigt. In Abbildung 6 ist ein Szenario mit mittlerem Bevölkerungswachstum dargestellt. Der Bedarf an fossilen Energieträgern ist als Kohlenstoffdioxid-Ausstoß charakterisiert, der zur Menge der verbrannten fossilen Energieträger proportional ist, wenn für die kurze verbleibende Zeitspanne von einem im Wesentlichen unveränderten Energiemix ausgegangen wird.
Abbildung 4: Beitrag erneuerbarer Energie am Primärenergiebedarf für die drei in Abbildung 3 gezeigten Energieszenarien für die hohe Bevölkerungsvariante
Abbildung 5: Jährlicher Ausstoß von Kohlenstoffdioxid entsprechend der drei Energieszenarien für die hohe Bevölkerungsvariante
Abbildung 6: Jährlicher Ausstoß von Kohlenstoffdioxid entsprechend der drei Energieszenarien für die mittlere Bevölkerungsvariante
Es zeigt sich, dass die Szenarien etwa den Bereich abdecken, auf den man sich bei den Klimazielen geeinigt hat, es sollen nach dem COP21 Klimaabkommen von Paris +2°C, besser aber +1,5°C maximaler Klimawandel eingehalten werden. Es wird deutlich, dass diese Klimaziele im Prinzip mit den gezeigten Szenarien erreicht werden können. Für die hohe Bevölkerungsvariante bedeutet dies aber einen sehr deutlichen und systematischen Anstieg in der Implementierung nachhaltiger Energietechnologien. Vergleich zwischen Abbildungen 5 und 6 zeigt zudem, dass insbesondere für das 2°C-Klimaziel eine Begrenzung des Bevölkerungswachstums sehr förderlich ist. Die Energiewende muss je nach zu erreichendem Klimaziel zwischen 2050 und 2075 abgeschlossen sein, in guter Übereinstimmung mit anderen Studien.
Mit diesen Szenarien kann man nun auch darüber hinausgehende Fragen beantworten. Hier soll die Frage beantwortet werden, um wie viel die letztendlich umzusetzende Substitutionsrate ansteigen müsste, wenn wir nicht umgehend mit der Implementierung nachhaltiger Energietechnologien beginnen, sondern erst noch für einige Jahre auf den Klimakonferenzen verhandeln und erneuerbare Energie zunächst nur langsam wie bisher implementieren. Diese nach der Verzögerung benötigte Substitutionsrate ist in Abbildung 7 gezeigt. Die unterschiedlichen dargestellten Fälle werden durch Kurven charakterisiert, die im Wesentlichen horizontal gegeneinander verschoben sind. Es wird deutlich, dass wir für das 1,5°C-Ziel bereits in dem Bereich der Kurve sind, in dem der benötigte Aufwand für jedes verschlafene Jahr sehr deutlich ansteigt. Für das 2°C-Ziel verläuft die Kurve dagegen noch relativ flach. Wir könnten uns theoretisch also zur Erreichung dieses Ziels noch einige Zeit lassen bis wir mit der Intensivierung unserer Anstrengungen beginnen. Bedenkt man aber, dass wir ja eine möglichst geringe Klimaerwärmung anstreben, bedeutet dies, dass auch für diese Ziele, deren Kurven zwischen denen für 1,5°C und 2°C liegen, sich die Kurven ebenfalls bereits in einem recht steilen Bereich befinden.
Abbildung 7: Benötigte Substitutionsrate, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen, obwohl die Anstrengungen für die Energiewende erst ab dem dargestellten Jahr nennenswert intensiviert werden.
Vergleicht man zudem die benötigten Substitutionsraten mit denen, die wir aktuell in Europa und global erreichen, wie dies in Abbildung 8 gezeigt ist, so wird deutlich, dass wir heute noch deutlich zu geringe Anstrengungen unternehmen. Es fällt zudem auf, dass in Europa die Kurve in den letzten Jahren bei einer Substitutionsrate von etwa 1% pro Jahr stagniert. Dies kann bedeuten, dass systemische Widerstände in der Umsetzung weiterer nachhaltiger Energietechnologien vorliegen. Bedenkt man, was letztendlich erreicht werden soll, so fällt auf, dass wir zwar intensiv Wind- und Sonnenenergie ausbauen, dass wir aber bis heute keine sinnvollen Speichermöglichkeiten etabliert haben. Stattdessen reagieren die fossilen Kraftwerke darauf, wie viel Elektrizität von Sonne und Wind momentan bereitgestellt wird, indem sie entsprechend gedrosselt werden. Diese Kapazität, mit den konventionellen Kraftwerken auf den momentan erneuerbar anfallenden Strom zu regieren, ist natürlich begrenzt und bedeutet eine natürliche Grenze für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energie. Wenn das gesamte Energiesystem nachhaltig werden soll, muss umgehend auch damit begonnen werden die Energie-Speicherung in großem Maßstab umzusetzen.
Abbildung 8: Historische Substitutionsrate im globalen Mittel und in der EU, benötigte mittlere Werte zum Erreichen des 1,5°C-Klimaziels sowie aktuelle EU-Strategie, um die Klimaziele zu erreichen.
Als Fazit ergibt sich, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ziel, den Klimawandel auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, bereits verschlafen haben. Selbst um das 2°C-Klimaziel zu erreichen, müssten wir die Umsetzung der Technologie der erneuerbaren Energien im Vergleich zu heute erheblich forcieren. Aus Abbildung 7 und 8 ergibt sich, dass wir global die Anstrengungen von heute etwa 0,5% pro Jahr auf 3% pro Jahr, also um einen Faktor 6 Steigern müssen, wenn wir das 1.5°C-Klimaziel erreichen wollen. Selbst in Europa muss die Intensität des Ausbaus erneuerbarer Energietechnologien um einen Faktor von 3 gesteigert werden. Und schließlich ist auch für das 2°C-Klimaziel global mindestens ein Faktor 4 nötig.
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