Wie verhalten sich Moleküle?

  • Auf molekularer Ebene kann man sogenanntes deterministisches Chaos beobachten. Jede kleinste Störung eines Moleküls führt zu einem divergierenden Verhalten dieses Moleküls, dies ist eine so genannte Lyapunov-Instabilität. Infolgedessen ist es praktisch unmöglich, das Verhalten eines Systems mit hinreichender Genauigkeit über eine mittlere Zeitspanne vorherzusagen, da die Startbedingungen des Systems mit einer Genauigkeit definiert werden müssten, die mit zunehmender Vorhersagezeit schnell zunimmt.

  • Werden die Wechselwirkungen zwischen den Partikeln in die Überlegungen einbezogen, veschärft sich die Situation erheblich. Es stellt sich heraus, dass Wechselwirkungen auch mit den entferntesten Teilchen das Verhalten eines beobachteten Teilchens nach maximal 33ps (33 mal ein Millionstel einer Millionstelsekunde) beeinflussen. Die Konsequenz ist eine vollständige Zufälligkeit des Molekülverhaltens nach spätestens dieser kurzen Zeit. Außerdem umfasst der zu berücksichtigende Bereich alle Partikel innerhalb des beobachtbaren Universums und ihr Verhalten seit dem Urknall. Es existiert also ein hochvernetztes und schnell reagierendes Netzwerk von Wechselwirkungen zwischen allen Teilchen im Universum. Auf molekularer Ebene kann das Verhalten daher nur als nicht vorhersagbar und zufällig angesehen werden. Da Lyapunov-Instabilitäten grundsätzlich in ausreichend komplexen Systemen beobachtet werden, bei denen formal die Wechselwirkungen rückkoppeln, ist in vielen anderen Systemen ein entsprechendes Verhalten zu erwarten.

  • Schließlich kann als Nebengedanke die Richtung der Zeit betrachtet werden. Während die meisten physikalischen Gesetze invariant gegenüber einer Umkehrung der Richtung der Zeit sind, sind es die Ausgangsbedingungen nicht. In Vorwärtsrichtung der Zeit können die Anfangsbedingungen beliebig gewählt werden. Sobald mehr als 33ps betrachtet werden sollen, müssten in rückwärtiger Richtung der Zeit die Anfangsbedingungen für das betrachtete Beispiel die Bedingung erfüllen, dass sich alle Wechselwirkungen in der Zeit richtig und konsistent bis zum Urknall zurückentwickeln lassen. Diese Bedingung zu erfüllen kann für eine allgemeine Anfangssituation nicht gelingen. Die Richtung der Zeit ist also keine Frage der physikalischen Gesetze, sondern eine zur Festlegung der Anfangsbedingungen. Die Frage nach der Richtung der Zeit bezieht sich natürlich nur auf unsere Beschreibung der Realität und nicht unbedingt auf die Realität selbst.

  • Diese Überlegungen gehen von einem völlig deterministischen Weltbild aus, d.h. eine gegebene Ausgangssituation führt mit den exakten physikalischen Gesetzen zu einer unvermeidlichen und eindeutig festgelegten Entwicklung in der Zukunft, die ausschließlich durch die physikalischen Gesetze und die Anfangsbedingungen definiert ist.

Die hier vorgestellte Diskussion wurde größtenteils bereits veröffentlicht als:
Pfennig, A.: On the strong influence of molecular interactions over large distances.
Eur. Phys. J. D (2018) 72: 45. https://doi.org/10.1140/epjd/e2017-80293-4.